Tatort Wohnzimmer. Einige Tage nach Weihnachten. Draußen bitterkalt. Sie sitzen bequem auf dem Sofa. Tiefenentspannt und nichtsahnend. Unzählige Plätzchen intus. Ihr Kamin spendet Wärme. Eine Wohlfühloase. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit. Irgendetwas stimmt nicht. Plötzlich ist sie vor Ihnen. Sie sehen sie direkt an. Sie wird immer größer. Die Schale mit den restlichen Adventssüßigkeiten. Ihre Emotion sagt: „Nimm es!“ Ihr Intellekt sagt: „Lass es!“ Sie sind unentschlossen. Sie bleiben stark. Sie werden schwach. Ihre linke Hand bewegt sich. Völlig unkontrolliert. Sie greift zum letzten Schokoladen-Weihnachtsmann. Sie packen ihn aus. Dann schmilzt die Schokolade langsam in Ihrem Mund …
Kommt Ihnen dieses Szenario bekannt vor? Soeben haben Sie die Macht einer Versuchung kennengelernt. Eine Versuchung ist ein Wunsch oder Bedürfnis, etwas zu tun, was man eigentlich nicht tun sollte. Klingt erst mal unspektakulär, nicht wahr? Zwar sind die negativen Auswirkungen beim Verzehr eines Schoko-Weihnachtsmanns nur gering. Ganz im Gegensatz zu den Auswirkungen der fünf Versuchungen einer Führungskraft. Den wenigsten Menschen sind sie bewusst, obwohl sie im Berufsalltag ständig mit ihnen konfrontiert werden. Sollten Sie auch nur einer dieser Versuchungen verfallen, hat es signifikante, negative Auswirkungen auf Ihre Ergebnisse und Ihre Wirkung. Dies gilt nicht nur für den Beruf, sondern auch im privaten Kontext. Zum Beispiel im täglichen Zusammenleben mit Ihren Kindern oder in der Partnerschaft. Drei der fünf Versuchungen lernen Sie im heutigen Blogartikel kennen. Sie erfahren, warum diese für Sie, Ihre Abteilung und Ihre gesamte Organisation reines Gift sein können.
Die Versuchungen einer Führungskraft
In der Unternehmenspraxis kommt es häufig vor, dass Führungskräfte vor scheinbar unlösbaren Herausforderungen stehen. Es gibt eine Reihe von vermeintlich komplexen Ursachen, warum Ergebnisse nicht wie gewünscht erreicht werden können. Beispiele hierfür sind:
- Führungskräfte monieren, warum ihre Mitarbeiter nicht kritisch in die Auseinandersetzung gehen.
- Innerhalb der Abteilung herrscht kein Vertrauen.
- Führungskräfte nehmen Mitarbeiter nicht in die Pflicht – selbst wenn geforderte Ergebnisse ausbleiben.
Jede Führungskraft scheitert. Die eine mehr, die andere weniger. Sie begehen dabei jedoch immer dieselben Grundfehler. Oftmals erliegen Führungskräfte dabei einer (oder mehrerer) der fünf Versuchungen.
Erste Versuchung: Ergebnis versus Status
Meine Frage an Sie: Was war der beste Tag Ihrer beruflichen Karriere? An welchen Tag oder welches Ereignis müssen Sie spontan denken? Häufige Antworten sind „der Tag, an dem ich zum Abteilungsleiter befördert wurde“ oder „der Tag meiner letzten Gehaltserhöhung“. Diese Antworten sind nachvollziehbar und aus dem persönlichen Blickwinkel eines Mitarbeiters durchaus wichtige Erfolge. Aus Unternehmenssicht sind persönliche Karrieresprünge jedoch zweitrangig. Sobald Mitarbeiter der ersten Versuchung verfallen, also mehr Priorität auf den eigenen Status als auf Ergebnisse legen, haben Sie oftmals größeres Interesse, ihre eigene Karriere voranzutreiben, als für das Unternehmen Ergebnisse zu erzielen. Denn eines ist sicher: Ergebnisse sind die Visitenkarten einer guten Führungskraft.
Um diesen Gedanken zu vertiefen, stellen Sie sich den Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft Joachim Löw vor. Was glauben Sie, wird er sagen, wenn Sie ihn nach seinem größten, beruflichen Erfolg fragen? Was würden Sie über folgende Aussage denken? „Der größte Erfolg meiner Karriere war der Tag meiner Amtseinführung und die Unterschrift meines Millionenvertrags.“ Ziemlich egoistisch und statusorientiert, oder? Was Löw in Wirklichkeit sagen würde: „Ich habe bis heute Gänsehaut, wenn ich daran denke. Mein größter Erfolg war der Augenblick, als ich 2014 im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro den WM-Pokal für Deutschland in den Himmel gestreckt habe!“
Wie wirken die beiden Aussagen auf Sie?
Natürlich können Führungskräfte auf das Erreichen persönlicher Karriereziele stolz sein. Darüber sollte aber immer das Motiv stehen, mithilfe des eigenen Status Ergebnisse zu produzieren. Etwas zu bewirken für das Unternehmen. Denn sobald das Ego befriedigt ist, wird sich diese Person mehr darauf fokussieren, den eigenen Status zu halten. Sie wird sich automatisch weniger Gedanken um die Leistung der Organisation machen.
Zweite Versuchung: Verantwortung versus Beliebtheit
Wenn Sie der ersten Versuchung widerstehen können, gibt es noch vier weitere Fallen. Die zweite Versuchung zielt darauf ab, bei seinen Mitarbeitern beliebt sein zu wollen, statt sie in die Verantwortung zu nehmen. Dazu folgendes Beispiel: Sie sind Führungskraft und haben zu einem Ihrer neuen Mitarbeiter ein freundschaftliches Verhältnis. Sie schätzen sich gegenseitig. Leider bringt Ihr Freund und Mitarbeiter seit Monaten nicht die geforderten Ergebnisse. Die Geschäftsführung hat sich bereits bei Ihnen als seine Führungskraft beschwert. Sie haben schon mehrere Male das Gespräch zu Ihrem Mitarbeiter gesucht und versucht, ihm klar zu machen, dass die Ergebnisse besser werden müssen. Ihr Freund verwies immer wieder darauf, dass er ja noch neu sei und sein Vorgänger den Bereich schlimm hinterlassen habe. Jedoch wolle er schon bald die geforderten Ergebnisse vorweisen.
Da er neu ist und Sie sich mit ihm angefreundet haben, unternehmen Sie nichts, außer nicht zu direkt und hart zu ihm zu sein. Schließlich ist er doch gerade erst mit seiner Familie 400 Kilometer zu Ihrem Standort gezogen. Sie denken, eine Kündigung können Sie ihm jetzt einfach nicht antun. Außerdem werden sich die Resultate schon mit der Zeit ergeben. Doch als die Ergebnisse weiterhin ausbleiben und der Druck der Geschäftsführung größer wird, sehen Sie keinen Ausweg. Sie kündigen Ihren Freund und Mitarbeiter. Dieser ist völlig überrascht von der Entscheidung und sagt mit Tränen in den Augen, dass er damit nie gerechnet hätte. Niemand habe ihm ernsthaft mitgeteilt, wie dramatisch die Situation bereits sei …
Die Führungskraft in dieser Geschichte ist der zweiten Versuchung zum Opfer gefallen. Statt den Mitarbeiter in die Verantwortung zu nehmen, ihn darüber aufzuklären, dass die ausbleibenden Ergebnisse nicht länger geduldet werden und er sich über die Konsequenz einer möglichen Kündigung im Klaren sein muss, zog die Führungskraft es vor, bequem und beliebt sein zu wollen. Der Mitarbeiter wäre dankbar gewesen, hätte man ihm mit klaren Worten gesagt, wie ernst es in Wirklichkeit um ihn steht.
Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihr Chef Ihnen unterwartet die Kündigung ausstellen würde? Wichtig ist daher, Menschen die Möglichkeit zu geben, ihr Handeln zu ändern, indem klare, ehrliche Worte gesprochen werden. Dies kann nur stattfinden, wenn Führungskräfte das Bedürfnis hintenanstellen, um jeden Preis beliebt sein zu wollen.
Dritte Versuchung: Klarheit versus Sicherheit
Die dritte der fünf Versuchungen zielt darauf ab, Sicherheit über Klarheit zu stellen. Führungskräfte haben oft Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Sie wollen vielmehr absolut sicherstellen, dass ihre Entscheidungen richtig sind. Sie warten auf den Moment, in dem sie Gewissheit haben. Dabei lassen sie außer Acht, dass es den richtigen Zeitpunkt oftmals nicht gibt. Wirkungsvoll wäre, auf Grundlage unvollkommener Informationen, rasche, durchdachte Entscheidungen zu treffen.
Stellen Sie sich hierzu ein Unternehmen vor, in dem sich die Leitung nicht einig über die Organisationsziele ist. Die Begründung: Der Markt hat sich in den letzten Monaten schnell geändert. Das Unternehmen will noch abwarten, um ja keine falsche Richtung einzuschlagen. Schließlich gilt es, sicher durchs Fahrwasser zu kommen. Monate vergehen. Nichts passiert. Wenn die Ziele des Unternehmens, die daraus resultierenden Mitarbeiterrollen und die abzuleitenden Aufgaben eines jeden Mitarbeiters nicht klar sind, wie wollen Führungskräfte ihre Mitarbeiter zur Verantwortung entwickeln? Ohne Klarheit ist das unmöglich!
Fragen Sie sich daher immer: Wissen Ihre Mitarbeiter ganz klar, was ihre Aufgaben sind? Wissen sie genau, für welche Ergebnisse sie verantwortlich sind? Klarheit trägt maßgeblich dazu bei, dass Sie Ihre Mannschaft messen können. Sowohl für ihre Erfolge als auch für ihre Misserfolge. Nur wenn Aufgaben klar sind, übernimmt Ihr Mitarbeiter Verantwortung für seinen Aufgabenbereich und hat die Möglichkeit, Ergebnisse zu erzielen.
Im zweiten Teil zum Thema „Woran jede Führungskraft scheitert“ stelle ich Ihnen die vierte und fünfte Versuchung der Führung vor. Hier beschäftigen wir uns mit den Kontrapunkten Auseinandersetzung versus Harmonie sowie Vertrauen versus Unverletzbarkeit.
Darum sind Sie nicht wirklich glücklich.
Warum Erfolg und Erfüllung nichts miteinander zu tun haben.
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