Immer öfter hören wir diesen Begriff und meinen wohl letztlich, dass ein Mensch zu einem Unternehmen oder einer Organisation passt – oder eben nicht. Deshalb taucht gerade beim Recruiting diese Frage immer wieder auf. Wenn man das nur so einfach beurteilen könnte.
Was ist Kultur? Die erstellten Definitionen dafür dürften viele Seiten füllen. Eine mir in Erinnerung gebliebene, sehr plastische Beschreibung stammt vom deutschen Soziologen Max Weber, ist in etwa 100 Jahre alt und lautet folgendermaßen: Kultur ist wie eine Art Fluss zu verstehen, der durch unser gesamtes Bewusstsein fließt. Jedoch liegt die Quelle dieses Flusses außerhalb unseres Bewusstseins. Ein schönes naturverbundenes Bild. Es zeigt uns doch auch die extreme Komplexität der Abermilliarden Wassermoleküle – und was da sonst noch so alles mitschwimmt – sowie die mannigfaltigen Örtlichkeiten, wenn wir uns Flusswindungen über Tausende von Kilometern vorstellen. Wir sind Teil dieses Flusses – was bedeutet, dass auch wir ihn im wahrsten Sinne des Wortes beeinflussen. Aber wir haben diesen Fluss nicht geschaffen und müssen daher erkennen, dass einerseits unser Einfluss Grenzen hat, und wir andererseits geprägt wurden, ohne dass wir es wirklich bemerkt haben.
Unter anderem ist die kritische Selbstreflexion deshalb so wichtig, weil sie Verhalten, Einstellungen, Werte und eben auch Kultur hinterfragt. Aber könnte man nicht auch die Kultur eines Unternehmens als die „Landschaft der Werte“ der dort handelnden – und gehandelt habenden – Menschen bezeichnen? Damit wird zum einen deutlich, dass ein Kulturwandel Zeit braucht. Das Bild des sogenannten „Trickle-down-Effekt“ ist hier sinnvoll. Es muss erst einmal von oben bis nach ganz unten durchsickern. Man kann es auch heftiger mit dem Sprichwort ausdrücken, dass der Fisch vom Kopf her stinkt. Dass ein CEO die Unternehmenskultur maßgeblicher prägen kann, als der einfache Mitarbeiter, wird somit deutlich.
Dennoch bin ich der Auffassung, dass es „die Kultur“ eines Unternehmens selten gibt. Letztlich prägen die individuellen Führungskräfte ihre Bereiche und darüber hinaus, sodass es oftmals zu Subkulturen oder einer Gemengelage an Kulturen kommt. Eine besondere Unkultur ist zum Beispiel die der Negativität. Der Spruch „ein fauler Apfel verdirbt den ganzen Korb“ erklärt den Einfluss der Negativität in Unternehmen sehr treffend. Es ist nun einmal eine der wichtigsten Aufgaben der Führungskräfte, gleichsam als „Produzenten“ einer positiven Atmosphäre aufzutreten und nicht als Konsumenten der da herrschenden oder eben fließenden Kultur. Wir können unseren Flusslauf gestalten und müssen es auch tun, wenn wir unseren Führungsaufgaben gerecht werden wollen. Im System Leading Simple von Boris Grundl ist eines der 15 Module darauf zugeschnitten: Positives Betriebsklima.
Wie entwickeln wir also Führungskräfte, damit sie zu positiven Kultur-Bildnern werden? Da gilt es zunächst die stets von Boris Grundl gestellte Gretchenfrage zu beantworten, wenn derjenige, der sich entwickeln will, damit beginnt: „Sind Sie in diesem Seminar / Coaching / Workshop / Training, weil Sie nach Selbstbestätigung suchen oder weil es Ihnen um Ihr persönliches Wachstum geht?“ Wenn man auf Ersteres aus ist, kann man im Grunde gleich heimgehen. Wenn man Letzteres will, muss man jedoch bereit sein, wirklich alles an einem selbst zu hinterfragen. Man muss sich gleichsam in seine Einzelteile zu zerschlagen, um sich dann neu zusammenbauen zu können.
Robert S. Hartman hat den persönlichen Entwicklungsprozess mit vier Schritten skizziert:
- Know thyself, also erkenne Dich selbst. Überprüfe Dich und Deine Fähigkeiten und Potenziale. Frage und beantworte auch, was nicht in Dir steckt. Wunschträume sind keine guten Ratgeber für Entwicklung
- Choose thyself, also wähle Dich aus, nimm Dich an. Du bist das „Material“, was in Dir steckt, es ist letztlich alles, was Du hast. Du kannst kein Anderer sein, Du bist eben Du.
- Build thyself – und darin liegt ein ganz entscheidender Aspekt, der uns als intelligente Lebewesen eine im wahrsten Sinne des Wortes konstruktive Fähigkeit gibt. Wir können uns tatsächlich „bauen“, also entwickeln, weil wir die sogenannten teleologischen Fähigkeiten haben. Das bedeutet, dass wir aufgrund unserer Analytik von Vergangenheit und Gegenwart Vorstellungen davon entwickeln, wie es künftig sein soll. So gesehen haben wir es eben in der Hand, welchem Zweck unsere Handlungen dienen und ob wir unsere Ziele erreichen.
- Give thyself, also gib Dich und Dein Wissen, Deine Fähigkeiten und Erfahrungen zurück an die menschliche Gesellschaft. Das wird häufig vergessen. Sei großzügig. Du hast viel Hilfe von allen möglichen Menschen gebraucht, um Dich in dieser erfolgreichen Weise zu entwickeln. Es ist an der Zeit, auch etwas zurückzugeben, so dass sich andere optimal entwickeln können.
Kurz zusammengefasst: Für mich ist der „Culture Fit“ ein Schlagwort mit wenig Nutzen. Man muss schon etwas tiefgründiger nachdenken und handeln, damit man gemäß den Worten von Boris Grundl „Der Beste wird, der man sein kann.“
Wie beurteilt Ihr die Frage nach dem Culture Fit?