Montagmorgen, 8 Uhr. Herr Maier hat einen Termin mit seinem Bereichsleiter. Er ist angespannt. Wehmütig erinnert er sich zurück an seine Anfänge in der Firma, als es ihm „noch gut ging“. Damals saß er häufig nach der Arbeit noch mit den Kollegen zusammen. Gemeinsam hatten sie Jahr für Jahr größere Gewinne erzielt, die Marktanteile systematisch ausgebaut und den Wettbewerb weit hinter sich gelassen.
Und heute? Heute ist alles anders. Herr Maier ist erschöpft. Nicht nur, dass die Erfolge des Unternehmens ausbleiben. Die Erinnerung an das letzte Gespräch mit seiner Führungskraft löst bei ihm ein flaues Gefühl aus. „Ich erwarte die Steigerung des Bereichsergebnisses um acht Prozent, Herr Maier!“ hatte dieser ihm mit bestimmter Miene zu verstehen gegeben. „Und das in den nächsten sechs Monaten!“
Die Folge waren zahlreiche Besprechungen, Termine und Workshops, die eher in zähen Diskussionen als in konkreten Ergebnissen endeten. Trotz vieler Ideen zur Verbesserung seines Teams kann Herr Maier an diesem Morgen knapp ein halbes Jahr nach dem Gespräch mit seinem Bereichsleiter mit kaum nennenswerten Ergebnissen aufwarten. Bis auf die Anzahl an Überstunden, die sich aufgrund der heftigen Betriebsamkeit rasant gesteigert hatte. Entmutigt und mit leerem Blick wartet Herr Maier nun an diesem Montag auf seinen Chef …
Kennen Sie eine solche Situation? Sahen auch Sie sich schon einer ähnlichen Zielvorgabe ausgesetzt, bei der Sie nicht wussten, wie Sie das schaffen sollten? Obwohl die Zielvorgabe vordergründig klar und beinahe schon SMART formuliert war – eine Steigerung um acht Prozent in sechs Monaten – gelang es Herrn Maier und seinem Team nicht, sie umzusetzen. Das Ziel war vermeintlich klar, dennoch tappten sie im Dunkeln. Denn Ziele – auch SMARTe Ziele – ermöglichen zwar die Quantifizierung des gewünschten Ergebnisses, lassen allerdings die Richtung offen.
Entscheidend ist, welche Frage Sie stellen
Es gibt verschiedene Wege, um zum Beispiel die gewünschte Steigerung des Bereichsergebnisses zu erreichen.
Option a) Steigerung des Umsatzes des Bereichs bei gleichbleibenden Kosten
Option b) Reduktion der Kosten bei unverändertem Umsatz
Option c) eine Mischung aus beidem
Jede der Optionen beinhaltet andere Möglichkeiten, Einflussfaktoren und Risiken. Die Frage ist, welche ist in der aktuellen Situation unter den gegebenen Rahmenbedingungen die wirkungsvollere?
Als Folgen der fehlenden Klarheit über die Rahmenbedingungen und die fehlende Ausrichtung auf eine der Optionen werden im Unternehmensalltag, wie im Fall von Herrn Maier, oft zahlreiche Meetings einberufen und Ideen diskutiert. Die Leitfrage, die dabei gestellt wird, lautet allzu oft
„Was könnten wir tun, um xy zu erreichen?“
Die Antworten sind ein Bündel Maßnahmen, die meist vor allem schnell und mit absehbarem Ergebnis umsetzbar sind. Der Grund, warum derartige Maßnahmen Vorrang erhalten, ist, dass sie oberflächlich betrachtet:
1) das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis versprechen und
2) die Effekte auf das Ergebnis gut abseh- oder kalkulierbar sind.
Die Betroffenen sichern sich also wieder ein Stück der fehlenden Orientierung zurück. Dabei kommen meist bekannte Lösungsstrategien zum Einsatz, wenngleich in neuem Gewand. Die Folge: (Bekannte) Lösungen werden bezüglich ihrer Umsetzbarkeit diskutiert, selten deren Wirksamkeit bezüglich des Problems. Die tatsächlichen Hindernisse auf dem Weg zum konkreten Ziel geraten bei zunehmender Diskussion häufig aus dem Fokus. Wie bei einer Gießkanne wird die verfügbare Energie in viele kleine einzelne Maßnahmen aufgeteilt, anstatt diese zielgerichtet zu bündeln.
Die wirkungsvolle Frage leitet sich vom Zielzustand ab…
Doch was ist nun der wirkungsvollere Weg, Ergebnisse effektiv zu erreichen? Mein Vorschlag ist, als wichtigstes Element jedes Veränderungsvorhabens, einen entsprechenden Zielzustand zu definieren, abgeleitet vom gewünschten, bestenfalls in der EOA beschriebenen Ergebnis. Dabei ist der Zielzustand nicht lediglich ein Meilenstein wie im Projektmanagement üblich. Vielmehr können Sie sich einen Zielzustand wie eine präzise Beschreibung der Basisstation vorstellen, welche Sie auf dem Weg zu Ihrem Ergebnis passieren werden.
Das bedeutet: Sie müssen neben dem messbaren (Teil-) Ergebnis und dem definierten Zeitraum, bis wann Sie dieses Etappenziel gemeinsam mit Ihrem Team erreicht haben wollen, noch etwas definieren. Nämlich unter welchen qualitativen und quantitativen Rahmenbedingungen Sie die jeweilige Basisstation erreicht haben werden.
Die wesentlichen Elemente eines Zielzustandes sind also:
- Die übergeordnete Herausforderung:
Der Zielzustand beschreibt immer einen Teilbeitrag zum Unternehmensergebnis. Im obigen Beispiel ist die übergeordnete Herausforderung eine Verbesserung des Unternehmensergebnisses. Dazu soll der Bereich von Herrn Maier einen gewissen Teil beitragen. Dieser wird wiederum präzisiert in der
- Ergebniskennzahl:
Diese ist immer abgeleitet von der Gesamtherausforderung des Unternehmens. Quantifiziert aber konkret die angestrebte Wirkung des jeweiligen Bereichs. Im Bereich von Herrn Maier ist die angestrebte Wirkung in Summe acht Prozent. Wichtig ist, zu definieren, ob dies durch Erreichung einer Umsatzsteigerung, einer Kostenreduzierung oder durch eine Kombination aus beidem erreicht werden soll. Entsprechend gilt es, Umsatz und/oder Kosten ebenfalls als Ergebniskennzahl zu messen.
- Termin:
Der Zielzustand ist immer terminiert. Sinn macht ein Abstand von zwei Monaten. Soll das Endergebnis wie im Beispiel in sechs Monaten erreicht sein, bedeutet es, dass Herr Maier und sein Team zwei Zielzustände auf dem Weg zum Ergebnis definieren, an denen sich alle ausrichten werden. Bei großen, wenig überschaubaren Herausforderungen sind sogar kleinere Etappen hilfreich.
- Stellhebel:
Entsprechend der oben gewählten Option (a, b, oder c) werden die Stellhebel abgeleitet und quantifiziert, zum Beispiel die wesentlichen Kostentreiber, Umsatzanteile der Produkte oder Dienstleistungen etc.
- Rahmenbedingungen:
Als weiteres Element geben die qualitativen Rahmenbedingungen weitere Orientierung über die Gegebenheiten – sowohl an den Basisstationen als auch im Ergebnis. Beispielsweise wird hier häufig beschrieben, dass das gewünschte Ergebnis ohne Reduktion der Belegschaft oder unter der Einhaltung des Qualitätsniveaus erreicht werden soll. Bei Bedarf können Sie dies ebenso messbar machen. Das ist allerdings nur nötig, sofern diese Kennzahl ergebnisrelevant ist. In diesem Falle ist sie ohnehin mindestens oben bei den quantifizierten Stellhebeln aufzuführen.
- Visuelle Abbildung:
Eine Basis, um den Wunsch nach Veränderung bei jedem Beteiligten überhaupt zu initiieren, bildet die visuelle Abbildung des angestrebten Zustands beziehungsweise des finalen Ergebnisses (siehe auch Veränderungen – Entwickeln Sie Zielzustände und schaffen Sie Identifikation). Nutzen Sie die Chance und schaffen Sie mit einem inspirierenden Zukunftsbild die emotionale Bereitschaft zur Veränderung. In der Praxis kommen hier häufig Unternehmenszielbilder oder Visionen zum Einsatz. Wichtig ist, dass das Bild zum jeweiligen Zielzustand passt.
Das Arbeiten mit Zielzuständen ist wie das Anknipsen einer Taschenlampe. Sie bringen Licht ins Dunkel der Veränderung, indem Sie konsequent die Ausrichtung auf dem zukünftigen Ergebnis halten. Der Lichtkegel weist den Weg. Die relevanten Hindernisse werden klarer. Sie sorgen dafür, dass alle anderen Unwägbarkeiten, links und rechts vom Lichtkegel, ausgeblendet sind. Nur die Themen, die tatsächlich auf Ihrem Weg liegen, werden fokussiert. Die Energie zu deren Beseitigung wird gebündelt. Das ermöglicht bessere Ergebnisse in kürzerer Zeit. Dabei dienen die einzelnen Basisstationen, Ihren Lichtkegel immer wieder auszurichten und das Ergebnis Schritt für Schritt zu fokussieren.
… und macht den Unterschied aus
Die klare Differenzierung von möglichen Problemen und tatsächlichen Hindernissen ermöglicht erst die Orientierung und Ausrichtung des Teams, um Ihr Veränderungsvorhaben wirkungsvoll umzusetzen. Die Frage „Was könnten wir tun, um xy zu erreichen?“ wird ersetzt durch
„Was müssen wir tun, um den gewünschten Zielzustand beziehungsweise das Ergebnis zu erreichen?“
Darum sind Sie nicht wirklich glücklich.
Warum Erfolg und Erfüllung nichts miteinander zu tun haben.
Bildquelle: © Stocksnap – Martin Sattler