Was assoziieren Sie mit Selbstbehauptung? Welche Ideen haben Sie zu diesem Thema? Notieren Sie sich bitte zwei bis drei Stichworte dazu.
Nun will ich Ihnen einen weiteren Blickwinkel verschaffen: Bei der Selbstbehauptung geht es nicht darum, wie ein Gorilla auf dem Affenberg zu sitzen, sich zu brüsten und mit den Fäusten auf die Brust zu hämmern, um mit diesem Eindruck andere zu überfahren oder auf seine Rechte zu pochen. Selbstbehauptung hat auch nichts mit Selbstverteidigung zu tun, wie es oft synonym verwendet wird. Genau so wenig hat es mit „sich durchsetzen“ zu tun. Beim Durchsetzen gibt es meist jemanden, der den Kürzeren zieht. Was aber ist es dann?
Innere Stärke
Es geht darum für sich selbst einzutreten; um die eigene innere Stärke. Authentisch leben, mich von meinen innersten Überzeugungen und Gefühlen leiten zu lassen bei dem, was ich sage und tue. Meinen eigenen Wünschen, Bedürfnissen und Werten Rechnung zu tragen.
Fragen stellen ist ein Ausdruck der Selbstbehauptung. Für sich selbst denken und für das, was ich denke, einzustehen – daraus besteht die Wurzel der Selbstbehauptung.
Eine angemessene Selbstbehauptung setzt die Überzeugung voraus, dass meine Ideen und Wünsche wichtig sind. Da liegt schon die Wurzel des Übels, denn genau diese Überzeugung fehlt uns häufig. Woher kommt das? In der Jugend wurde uns signalisiert, dass das, was wir denken und fühlen oder wünschen, nicht wichtig ist. Uns wurde beigebracht: Was Du willst, ist nicht wichtig, wichtig ist, was andere wollen. Wenn wir es dann doch einmal hinbekommen haben, für uns selbst einzutreten, mussten wir uns den Vorwurf anhören, dass wir egoistisch seien. Das war Einschüchterung genug, um wieder nachzugeben.
Haben Sie eine Vorstellung davon, wie schnell es Menschen gelingt, die Wünsche und Bedürfnisse anderer in Frage zu stellen? Die gedachte Selbstbehauptung ins Wanken zu bringen und sie dabei so zu verunsichern, dass sie selbst glauben, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse wohl doch zu egoistisch und unrealistisch seien?
Ein praktisches Beispiel
Dazu will ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Bei einem Tischgespräch an einer Familienfeier habe ich folgendes erlebt. Ein junger Mann, Sohn eines Anwaltes, gab an diesem Abend bekannt, er wolle in naher Zukunft nach Australien auswandern, um dort eine Surfer-Schule zu eröffnen. Am Tisch herrschte plötzlich Totenstille. Alle schauten einander an. Sein Vater war geschickt darin, solche Themen sofort umzulenken. Schnell war seine Aussage vergessen und man ging den üblichen Gesprächen nach. Da mich sein Vorhaben interessierte, wollte ich näheres darüber wissen. Als ich mit ihm gesprochen hatte, kannte ich seine Beweggründe dafür und fand es eine tolle Idee. Einige Zeit später traf ich den jungen Herrn wieder und war überrascht, ihn in einem Anzug zu sehen. Als ich ihn fragte, wie sein Surf-Schul-Projekt laufe, dachte ich, einen anderen Menschen vor mir stehen zu haben. Die Sätze, welche er sprach, waren nicht seine, sondern die seines Vaters. „Ach, das war nur so eine Flause in meinem Kopf“ und „schließlich hat mein Vater eine Menge Geld für meine Ausbildung bezahlt. Ein Mann hat zuerst einmal die Pflicht, etwas Stabiles aufzubauen, finanzielle Sicherheiten zu schaffen, damit er einmal in der Lage ist, eine Familie zu ernähren.“ In seinen Augen sah ich Traurigkeit.
Marionette oder Selbstbehaupter
Das Gegenteil von Selbstbehauptung ist, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse oder Werte in den Hintergrund zu stellen. Zustimmen und ja sagen, obwohl ich es nicht möchte, um andere nicht zu verletzen oder zu enttäuschen. Meinungen anderer zu vertreten, um gut dazustehen oder anderen zu gefallen. Damit geben Sie anderen grünes Licht, Sie als Marionette zu benutzen. Sie geben Ihre Macht nach außen ab.
Eine angemessene Selbstbehauptung verlangt, dass wir in die Arena springen und bereit sind, für unsere Bedürfnisse und Wünsche zu kämpfen. Es erfordert Mut, das umzusetzen, was wir wollen, und dafür zu kämpfen.
Sie entscheiden, welchen Weg Sie wählen: den Herausforderungen des Lebens ausweichen, verzichten, sich aufopfern und schlussendlich sich selbst verraten oder sich den Herausforderungen stellen, sich selbst in die Pflicht nehmen und für seine Bedürfnisse und Wünsche einstehen?
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