Im Zeitalter der Veränderung stehen immer mehr Medien zum Thema Kommunikation zur Verfügung. Trotzdem werden die Missverständnisse darüber nicht weniger, sondern eher mehr. Warum ist das so? Wir glauben, dass der Schwerpunkt in der Kommunikation zu sehr auf den Inhalt gelegt wird.
Die Herausforderung im 21. Jahrhundert ist nicht, an Informationen zu gelangen, sondern die richtigen herauszufiltern. Wir kommunizieren heute fast pausenlos und in hohem Tempo. Per E-Mail und WhatsApp, über Social-Media-Kanäle und Telefon. Wollen wir nicht in der Flut an Informationen untergehen, müssen wir lernen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Doch es ist nicht allein der Inhalt, der darüber entscheidet, was wichtig ist. Wir brauchen Empathie, um die Bedeutung des Inhalts im Kontext und für unsere Kommunikationspartner einzuschätzen.
Empathie in der digitalen Kommunikation
Tatsächlich hat die Digitalisierung dazu geführt, dass unsere Fähigkeit zur Empathie eher verkümmert. Empathie muss trainiert werden. Wir müssen unser Gegenüber erleben, um zu lernen, was Mimik, Gestik oder Sprachmelodie über einen Menschen aussagen können. So gewinnen wir die Fähigkeit, die Welt mit fremden Augen zu betrachten. Waren früher die Gelegenheiten zum Training reichlich vorhanden, sind sie heute selten geworden. Menschen kommunizieren weniger von Angesicht zu Angesicht, sondern häufiger über ein Medium. Dabei fehlen Indikatoren, um emotionale Reaktionen zu erkennen, d.h. die emotionale Aufnahmebereitschaft unseres Gegenübers einzuschätzen und zu steuern.
Der Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Kommunikationstools und Empathiefähigkeit ist auch in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen worden. Heranwachsende entwickeln beispielsweise umso weniger Empathie für andere Menschen, je mehr Zeit sie täglich mit digitalen Medien verbringen. Es geht nicht darum, die Digitalisierung zu verteufeln. Sie bringt viele Vorteile mit sich. Trotzdem sollten wir ihre Schattenseiten betrachten und uns dafür einsetzen, auch unter diesen neuen Rahmenbedingungen erfolgreich zu kommunizieren.
Was zeichnet digitale Kommunikation aus?
Folgende Faktoren der digitalen Kommunikation können sich nachteilig auf die emotionale Aufnahmefähigkeit beider Kommunikationspartner auswirken:
- Die Kommunikationspartner sind nicht körperlich anwesend.
- Die Kommunikation erfolgt oft schriftlich.
- Mehr Informationen werden in kürzeren Zeiträumen verarbeitet.
- Die Kommunikation erfolgt häufiger unter bislang Fremden oder bleibt anonym.
Die Kommunikationspartner sind nicht körperlich anwesend
Je nachdem, ob die Kommunikation schriftlich, per Audio- oder Videoübertragung stattfindet, fallen unterschiedliche Informationskanäle weg. Gestik, Mimik oder Tonlage. All diese Signale fehlen, um den Grad an Aufnahmebereitschaft des Gegenübers oder seine emotionale Reaktion einzuschätzen. Gleichzeitig werden andere Wahrnehmungen verstärkt: Die Tonlage bei einem Telefongespräch spielt eine größere Rolle als bei einer Videoübertragung. Die Formulierungen fallen bei einer E-Mail mehr ins Gewicht als in einer Audioübertragung. Dies gilt es zu berücksichtigen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Die Kommunikation erfolgt oft schriftlich
Die schriftliche Kommunikation hat die geringste Bandbreite an Informationen über den emotionalen Kontext. Der spontane, nonverbale und emotionale Charakter der Kommunikation geht verloren. Emoticons sind ein Versuch, dieses Informationsdefizit zu kompensieren. Vorteile der schriftlichen Kommunikation: Sie blendet Wahrnehmungsfilter wie Erscheinungsbild oder Tonlage aus und erlaubt mehr Zeit für eine Reaktion.
Mehr Informationen in kürzeren Zeiträumen
Die digitale Kommunikation führt zu einer schnelleren Zustellung von Botschaften. Einen Freund in den USA können Sie innerhalb von Sekunden erreichen. Gleichzeitig hat die Informationsmenge zugenommen. Daher werden Texte schneller gelesen und geschrieben. Inhalte werden oberflächlicher betrachtet. Das führt dazu, dass der Kommunikation Tiefe fehlt. Auch Missverständnisse gehen trotz Archivierung von Nachrichten nicht automatisch zurück. Gleichzeitig steigt die Erwartung an die Reaktionszeit auf Nachrichten.
Die Kommunikation erfolgt häufig unter Fremden oder bleibt anonym
Anfangs diente digitale Kommunikation in Chats und Foren dem anonymen Austausch unter Fremden. Heute steht der Dialog mit Bekannten eher im Vordergrund. Dennoch beeinflusst die Anonymität in vielen Fällen weiter die digitale Kommunikation. Websites und Social Media bauen soziale Hemmungen, Hürden und Kontrollen ab. Das sorgt für ein Mehr an Offenheit, Ehrlichkeit und Freundlichkeit, aber auch Feindlichkeit und antisoziales Verhalten.
Anforderungen an erfolgreiche Kommunikation
Die digitale Kommunikation der Zukunft wird daher vor drei Herausforderungen gestellt:
Erfolgsfaktor „Geschwindigkeit“:
Zwar hat sich mit der Digitalisierung die Kommunikation durch den asynchronen Charakter von E-Mails zunächst verlangsamt. Mit dem Einzug von Chats und Instant Messages ist das jedoch wieder anders geworden. Das zeigt sich auch im veränderten E-Mail-Verhalten. Die Formulierungen sind knapper und formloser. Teilweise wird nur die Betreffzeile genutzt. Audionachrichten haben zu einer weiteren Beschleunigung geführt. Kommunikation wird nur dann als erfolgreich betrachtet, wenn sie schnell und effizient ist.
Erfolgsfaktor „Intensität“:
Da Mimik, Gestik und Tonlage oft wegfallen, wirkt sich die Digitalisierung hier negativ aus. Die Bereitschaft zur Kooperation ist nachweislich am höchsten, wenn von Angesicht zu Angesicht gesprochen wird. Und nimmt über ein Video, ein Telefonat bis hin zu einem Text ab. Zur Kompensation werden in der schriftlichen Kommunikation daher Emoticons, Soundwörter (*argh*) und Aktionswörter (*zwinker*) eingesetzt. Diese Ausdrucksformen können Mimik und Gestik niemals ersetzen, geben aber Hinweise auf Gefühlslagen. Die Besonderheit im Vergleich zur Offline-Kommunikation: Der Nutzer braucht ein Bewusstsein für sein Handeln und seine Selbstdarstellung. Auch das Senden von Fotos und Videos sind eine Kompensationsstrategie, um die Emotionalität zu steigern.
Erfolgsfaktor „Transparenz“:
Mit Transparenz wird der erhöhten Wahrscheinlichkeit von Missverständnissen begegnet. Bei E-Mails kann beispielsweise schwer nachvollzogen werden, ob der Kommunikationspartner aktuell verfügbar oder ob eine Information bei ihm angekommen ist und auch gelesen wurde. Um dies zu kompensieren, kann z. B. im Instant Messaging transparent gemacht werden, ob der Kommunikationspartner gerade online ist. Trotzdem darf eine technische Erreichbarkeit keinesfalls mit einer sozialen gleichgesetzt werden.
Fazit
Die Beispiele haben verschiedene Wege gezeigt, um die Anforderungen an digitale Kommunikation zu erfüllen. Für den Erfolg ist entscheidend, wie gut es uns gelingt, die Nachteile der digitalen Kanäle in Bezug auf die emotionale Aufnahmebereitschaft zu kompensieren. Schaffen wir es, selbst emotional aufnahmebereit zu sein und die emotionale Aufnahmebereitschaft bei unserem Gegenüber herzustellen, können die digitalen Kommunikationskanäle eine Bereicherung darstellen.
Ihr Team vom Grundl Leadership Institut