„Wer von Ihnen ist selbstständig?“ Vierhundert Augenpaare schauen mich an. Nur wenige Hände derer gehen hoch, die selbst Unternehmer, Inhaber und vielleicht firmenbeteiligte Geschäftsführer sind. Die angestellten Zuhörer schauen unsicher. Ich wiederhole meine Frage etwas lauter. „Was will er von uns?“, so steht es in den Gesichtern geschrieben. Ich frage noch intensiver: „Wer von Ihnen ist selbstständig?“ Nun gehen langsam, aber sicher alle Hände hoch. Selbstständig sein, scheint für die meisten ein Arbeitsverhältnis zu beschreiben. Doch im Duden wird selbstständig mit eigenständig, nicht von außen gesteuert und in seinen Handlungen frei beschrieben.
Dominanzkultur und Kontrollwahn
Selbstständig sein ist eher die mentale Fähigkeit eines Lebens in Selbstverantwortung und weniger ein arbeitsrechtlicher Fachbegriff. Und der selbstständig mitdenkende Mitarbeiter wird in vielen Unternehmen gefordert. Auf Symposien wird der Unternehmer im Unternehmen als Ideal gefeiert. Aber wie sieht die Unternehmenswirklichkeit aus? Dicke HR-Konzepte und bunte CI-Broschüren predigen Selbstständigkeit, aber Dominanzkultur und Kontrollwahn produzieren Leibeigene. Der Unternehmer im Unternehmen verkommt zur Fata Morgana, die Jahr für Jahr Unsummen kostet, weil wertvolle Potenziale ungenutzt bleiben.
Zwei Pole stehen sich gegenüber: Jene Kultur, die zur Selbstverantwortung ermutigt und deren Umsetzung konsequent einfordert. Und der Gegenpol, an dem über Selbstständigkeit geredet, aber durch Schuldkultur geführt wird. Letzterer produziert Sklaven und Mitläufer durch Manipulation. Durch das Einreden von Schuld werden Menschen unterdrückt und abhängig gemacht. Das hat Methode und ist aus Misstrauen geboren. Unternehmen und Führungskräfte nähren sich von der Ausbeutung Abhängiger. Dabei übersehen Sie, dass ihre Manipulation die Mitarbeiter kastriert und sie klein macht.
Lust auf Verantwortung
Doch es gibt sie auch: Die Unternehmen, die konsequent auf Menschenentwicklung setzen! Sie gewinnen unternehmende Mitdenker, die Lust auf Verantwortung haben. Hier wird nicht mit Schuld gearbeitet, sondern mit Verantwortung – auch in der Wortwahl. Mit Transparenz, Klarheit und Systematik wird gegenseitig gefördert und gefordert. Ein Klima des geistigen Wachsens führt zu materiellem Wachstum. Mitarbeiter werden positiv beeinflusst, nicht manipuliert.
Manipulation ist das Instrument der Galeerentrommler, die Freiheit vorgaukeln, aber auf Ausbeutung setzen. Die Methode: Hohe Ergebnisse einfordern, aber die notwendige Entscheidungsgewalt verweigern. Wie ein Haremswächter, der Kinder zeugen soll. Manipulation ist verschleiernd. Nebelbomben statt Klarheit. Sie bringt Mitarbeiter dazu, ihre Freiheit unbewusst abzutreten. Das sind die Burn-out-Opfer von morgen. Denn zum Ausbrennen gehören immer eigene und fremde Faktoren: Stress und Fremdbestimmung von außen, Getriebenheit und Freudlosigkeit von innen.
Vertrauen ist der Humus
In fortschrittlichen Unternehmen trägt Beeinflussung reiche Früchte. Sie ist offen, nachvollziehbar, überzeugend und sinnstiftend. Sie regt dazu an, sich zu öffnen. Vertrauen ist der Humus dieser Kultur. Gelebtes Vertrauen verlangt innere Größe und die Bereitschaft, Verletzungen auszuhalten. Es sind diese Nachvollziehbarkeit und Ehrlichkeit, die zu Selbststeuerung und Unabhängigkeit führen. Wenn Sie Menschen transparent beeinflussen, erschließen Sie deren Potenziale, weil Sie motivierend und mitreißend wirken. So machen Sie aus Mitläufern Mitdenker und aus Unterdrückten Unternehmer, die gestalten statt verwalten. So macht Verantwortung Spaß! Also treffen Sie eine Entscheidung und stehen Sie dazu: Manipulation? Nein! Beeinflussen? Ja!
Darum sind Sie nicht wirklich glücklich.
Warum Erfolg und Erfüllung nichts miteinander zu tun haben.
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