Anerkennung – was löst dieses Wort in Ihnen aus? Denken Sie zuerst an Lob, Würdigung, Ehrung und Wertschätzung – Anerkennung von anderen? Oder spüren Sie, dass darin noch mehr steckt? Um Anerkennung geht es ebenfalls, wenn wir einen Rechtsanspruch oder Schuld anerkennen. Oder wenn wir unsere eigenen Möglichkeiten oder Limitierungen anerkennen. Doch so vielfältig Anerkennung auch ist, eines wird immer offenbar: Wenn wir etwas mit klarem Blick erfassen, erkennen wir an, wie etwas tatsächlich ist und nicht, wie wir es gerne hätten.
Das Leben als Lehrer
Vielleicht haben Sie es bemerkt: Die Defizite anderer sehen wir leichter als deren Fähigkeiten. Deswegen heißt es in der Bergpredigt:
„Warum siehst Du den Splitter im Auge Deines Bruders, aber den Balken in Deinem Auge bemerkst Du nicht?“
Noch schwerer tun wir uns mit uns selbst. Manche geißeln sich trotz herausragender Leistungen mit Perfektionswahn. Andere verlangen den Oscar, weil sie pünktlich zur Arbeit erscheinen. Die eigenen Fähigkeiten, Potenziale und Limitierungen zu erkennen, ist extrem schwierig. Aus meiner Erfahrung ist das Leben der beste Lehrer dafür.
Vor einigen Jahren sagte der CEO einer Pharmafirma nach einem Vortrag zu mir: „Es ist exzellent, wie Sie das Thema Führung vermitteln. Inspirierend, sauber hergeleitet und kompetent präsentiert. Auf den Punkt. Klasse! Ich habe nur ein Problem, Führungsstärke von einem Mann im Rollstuhl anzunehmen.“ Wenn ich diese Geschichte erzähle, dreschen die Zuhörer mit der moralischen Keule gedanklich auf den CEO ein. Auch ich war geschockt, aber mir wurde klar: Für einen Führungsexperten im Rollstuhl ist es tatsächlich schwierig, Stärke zu symbolisieren. Das Thema Führung wird primär mit Stärke, ein Rollstuhl mit Schwäche assoziiert. Ich hatte drei Möglichkeiten:
- Mich über das gesellschaftliche Behindertenbild beschweren und gegen Windmühlen kämpfen.
Ergebnis: Frustration. - Mich geschlagen in die Opferrolle begeben.
Ergebnis: Stagnation. - Bei mir bleiben, weiter an den inneren Kern meiner Stärke glauben und daran arbeiten.
Ergebnis: Transformation.
Sich selbst aushalten
Es verlangt Mut, nicht nur seine Sonnenseiten zu betrachten. Es ist eine Kunst, den Blick auf die eigenen Limitierungen auszuhalten. Ohne Koketterie! Mut und Kunst fehlen, wenn wir andere mehr kritisieren als uns selbst oder, wenn wir die Leistung anderer kleinreden, statt sie zu würdigen. Stattdessen sollten wir uns selbst analysieren. Anerkennen, was ist! Denn erst, wenn wir die Realität bei uns anerkennen, können wir für das leben, wofür wir gemeint worden sind. Nur so werden wir bereit für ein Leben mit maximalen Chancen, Erfüllung und Erfolg. Ohne uns selbst zu limitieren.
Dank des ehrlichen CEO-Feedbacks habe ich meine Lektion gelernt. War es schmerzhaft? Ja. War das anschließende Ringen um Einsicht aufreibend? Ja. War das Umsetzen der Erkenntnis anstrengend? Und wie! Ich muss eingestehen, dass es mich an den Rand meiner Einsatzbereitschaft gebracht hat.
Freiheit und Stärke entwickeln
Hat es sich wenigstens gelohnt? Ja. Denn mit der Zeit wendete sich das Blatt. Heute steht mein Rollstuhl für Stärke und öffnet Türen. Es wird sogar behauptet, ich sei nur so erfolgreich, weil ich im Rollstuhl sitze. Ich bin in diesem Prozess innerlich frei geworden, denn ich weiß: Es gibt nur einen Weg, daran zu wachsen. Bei sich bleiben, nachdenken und konsequent handeln. So entwickeln Sie Freiheit und Stärke, mit denen es keine äußere Anerkennung aufnehmen kann. Denn Sie haben sich selbst anerkannt. Es gibt kein größeres Geschenk, das Sie sich machen können.
Ihr Boris Grundl
Sie suchen mehr Inspiration?
Schauen Sie sich bei Facebook, Instagram oder im Videoblog „Grundls Gründe“ um. Hier durchleuchtet Boris Grundl aktuelle Themen aus verschiedenen Perspektiven. Immer mit der Frage: „Was kann ich aus diesem Thema für mich und mein Leben transferieren?“ Im Video anlässlich des Valentinstags spricht er zum Beispiel über die Unterscheidung „Kompetenz vs. Engagement“.
Der Valentinstag ist das Fest der Verliebten, die besonders in der Anfangsphase dazu neigen, den Partner durch eine rosarote Brille zu sehen. Doch auch die Liebe ist ein Prozess, der nach einer anfänglichen Euphorie in Ernüchterung umschlagen kann. In der Valentins-Folge blickt Boris Grundl auf die Unterscheidung von Engagement und Kompetenz und wie Sie nach der euphorischen Anfangsphase wirksame Nachhaltigkeit erreichen. Denn wenn Sie Engagement und Kompetenz gemeinsam nutzen, können Sie Veränderungsprozesse in der Tiefe verstehen. Nur so erreichen sie Ergebnisse, die Sie zu dem Besten machen, der Sie sein können.
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